Windows NT und PC/GEOS - Ein Trauerspiel
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Der folgende Bericht ist von Burkhard Oerttel zur Verfügung gestellt worden.

Wer einmal mit GEOS gearbeitet hat, will es nicht mehr missen, auch nicht am Arbeitsplatz, zumal dort in 99,9% aller Fälle mit Windooms und den einschlägigen Standard-Produkten aus dem unbedeutenden Vorort einer unbedeutenden Stadt am Rand der Rocky Mountains gearbeitet wird. (Nicht von ungefähr ist Ausgangspunkt der Shadowrun-Romane der selbe Ort! :-)
Bisher ließ sich aber immer ein Agreement finden, denn auch auf der murkeligsten Dienst-Festplatte fand sich ein Eckchen für den bescheidenen Platzbedarf von GEOS. Aber die Technik verändert sich, in immer mehr Unternehmen und Behörden wird jetzt Windooms NT eingesetzt. Und wer da sein geliebtes GEOS an der IT-Stelle vorbei auf die Client-Festplatte brachte, erlebte meist ein blaues Wunder. Das geliebte Alternativ-UI ließ sich nicht vernünftig zum Laufen bringen.
Ich möchte hier meine Erfahrungen schildern, sie sind auch nicht DIE Lösung, aber immerhin doch vielleicht für einige GEOS-Anhänger hilfreich. Wer weitere Tipps hat, bitte bei den einschlägigen Foren melden!!!


DIE VORGESCHICHTE - Bei uns im Hause (ich möchte das jetzt aus Gründen des Datenschutzes nicht näher definieren) hatte ich ganz offiziell GEOS im Einsatz, weil es Mitte der 90er-Jahre kein besseres Programm zur Gestaltung von Formularen, Organigrammen und anderer grafisch anspruchsvollerer Arbeiten gab. Unsere IT-Stelle sah das aber immer ziemlich skeptisch, denn ein solch leistungsfähiges System mit einem Platzverbrauch von gerade mal 10 MB war den Kollegen unheimlich. Am schlimmsten aber war, dass für einen flimmerfreien Betrieb die Grafikkarte unter DOS sauber konfiguriert werden musste. Obwohl ich ihnen mehrfach erklärt hatte, wie man damit die Monitorfrequenz bis auf satte 99Hz hochtreiben konnte, rafften die Kollegen das nie. Sie kannten nur Windooms und freuten sich, wenn die automatische Konfiguration ihnen 75Hz einstellte und der T.V nicht moserte. So flogen dann die GEOS-Installationen nach und nach raus; die Aufgaben, für die es vorgesehen war, könnte man ja nun mittlerweile auch mit Office 97 erledigen ... na ja!
Ich blieb weiter GEOS-Anwender, mein System war ja auch ordentlich konfiguriert, und die IT-Leute guckten mich weiter skeptisch an.


DAS ERSTE NETZ - Nach und nach wurden wir vernetzt. Die IT-Stelle entschied sich auf Grund exzellenter Beratung durch die Lieferfirma für Pathworks als Netz-BS. Unter Insidern war dieses System schon von jeher als dasjenige berüchtigt, das den grö.ten Platzbedarf im RAM mit dem höchsten Administrationsaufwand verband. Aber die WfW-UI kompensierte ja den Speicherverbrauch durch lebhafte Nutzung der Auslagerungsdatei, deshalb war das Speicherproblem in den Augen unserer Experten vernachlässigbar gering. Die Performance auch!
Der arme geplagte GEOS-User stand nun vor einer neuen Herausforderung, denn Pathworks benötigte so viel RAM, dass der Rest nicht mal für das sparsame GEOS ausreichte! Das konnte man mittels Boot-Manager umgehen, indem entweder mit oder ohne Netzanschluss gestartet wurde. Dafür reichte sogar der interne (so genannte) Boot-Manager von MS-Dose 6.22.


HYSTERIE 2000 - Alle Welt redete vom Y2K-Bug, auch unsere IT-Stelle plauderte fachkundig mit und beschloss, spätestens bis Silvester 99 mit der Umstellung auf NT fertig zu werden, weil WfW 3.11 ja nicht Millenniums-fähig sei. Dieser Kelch ging auch an mir nicht vorüber und nun begann der Ärger wirklich.
Dass es Probleme beim GEOS-Betrieb unter NT geben würde, war mir klar, darüber war ja schon viel zu hören gewesen. So stellte sich auch bei mir der weltweit bekannte Effekt ein, dass GEOS unter NT entweder überhaupt nicht oder aber bestenfalls im 640x480-Grafikmodus mit 16 Farben läuft. Mir ist bisher noch niemand begegnet, der eine bessere Auflösung zu Stande gebracht hätte. Jeder andere Grafiktreiber schmiert ab! Wobei dieser Fehler vielleicht gar nicht mal an NDO liegt, sondern eher an NT, denn ich vermute, dass die Informationen über die Grafikkarte nicht sauber zur DOS-Anwendung durchgereicht werden. Für alle, bei denen es gar nicht geht, hier der hilfreiche Eintrag für die GEOS.INI in der Sektion [system]:

fs = {
ms4.geo
ntfat.geo
cdrom.geo
}


AUSWEG BOOT-MANAGER? - Mit dem Grafik-Standard von 1991 wollte ich mich nicht zufrieden geben. Also was tun? Zu Hause habe ich eine Vierfach-Wahlmöglichkeit auf dem Rechner: Ich boote entweder mit Win 98, Win 95, Novell DOS 7 Standard oder Novell DOS 7 kompatibel zu Win 3.11. Das Ganze auf einer gemeinsamen Partition, denn ich benutze den genialen Boot-Manager von Paragon (PTS, das sind die, die das Russen-DOS gebastelt haben).
Warum dieser Aufwand? Ganz einfach: Win 98 für alles, was kompatibel mit den Büro-Anwendungen, Verlagen etc. sein muss. Win 95, weil 98 Probleme mit dem Fax-Modus meines Modems hat. Novell DOS, weil NDO zwar problemlos unter Win 98 läuft, aber beim Drucken kommen sich beide Systeme gelegentlich in die Quere, weil Windooms einen Druckbefehl bemerkt, aber nicht weiß, woher der stammt, ihn deshalb für seinen eigenen hält und das nächste Datenpaket vom GEOS-Spooler anmeckert, weil es ja selbst angeblich gerade druckt. (Dieses Verhalten müssen sich die Win-Programmierer im Umkehrschluss bei gewissen dusseligen Vögeln abgeguckt haben, die zugucken, wie ihnen ein Ei aus dem Nest rollt und meinen, dass sie das nichts angeht. Man nennt diese Vögel auch Tölpel.)
Naiv wie ich war, dachte ich, dass diese Konfiguration auch mit NT möglich wäre, denn der PTS-Boot-Manager taugt auch für NT. Radio Eriwan antwortet: Im Prinzip ja, aber du hast nicht mit der Raffitücke deiner IT-Stelle gerechnet. Die hat nämlich einen Hardware-Bootmanager davor gesetzt, um Software-Updates zentral vom Server auf alle Clients schicken zu können. Warum das bei AOL auch ohne BootPROM funktioniert und warum bei uns im Hause noch nie das geringste Update über diese Funktion vorgenommen wurde, sind überaus defätistische Fragen und nur dazu gedacht, die IT-Stelle zu diskreditieren. Jedenfalls verhindert dieses Hardware-Teil den Einsatz jedes Software-Boot-Managers.
Na schön, dachte ich, wenn schon so ein renitentes Teil existiert, soll es doch meine Ausweich-Konfiguration mit verwalten. Nee, geht nicht, das lässt sich eh so schlecht konfigurieren, und überhaupt ...


BOOT-MANAGER "BIOS" - Nun bin ich gewiss nicht der Typ, der sich von solchen Verhaltensmustern abschrecken lässt. Also die Kiste aufgeschraubt und mal nachgeschaut. Nein, den BootPROM habe ich nicht raus genommen. Das wäre ja zu simpel gewesen und hätte mir vermutlich den ultimaten Ärger mit den IT-Leuten eingebracht. Aber interessant ist so ein Blick ins Gehäuse schon, denn selbst ein Mini-Tower hat immer noch genug Platz für eine zweite und dritte Festplatte. Die hilft an sich natürlich auch nicht weiter, aber wenn man es richtig macht ... ;->
In dem Rechner steckte eine SCSI-Platte, also baute ich eine IDE-Platte zusätzlich ein, IDE-Anschlüsse waren ja genug frei, lediglich das CD-Laufwerk hing dran. Der Trick dabei ist, dass der BootPROM erst nach dem BIOS aktiv wird. Das BIOS aber entscheidet darüber, ob von Diskette, IDE-Festplatte, SCSI-Festplatte oder CD-ROM gebootet wird. Wenn ich jetzt also zwischen den Systemen wechseln will, muss ich eben das BIOS als Boot-Manager benutzen. Klappt hervorragend.


TIPPS ZUM PTS-BOOT-MANAGER - Meine oben erwähnte Kombination kommt euch vielleicht abenteuerlich vor, hat sich aber bestens bewährt und läuft störungsfrei (von den Windooms-typischen Störungen mal abgesehen). Sie ließe sich auch noch auf OS/2, Linux und weitere DOS-Varianten ausbauen. Ob BeOS damit funktioniert, weiß ich nicht; vielleicht hat Helmar da Erfahrungen (?). Ein besonderer Gag dabei ist, dass sich komplette Systeme problemlos von einem Rechner auf den anderen portieren lassen; Rechnerwechsel ohne Neuinstallation! Lediglich der Boot-Manager ist neu zu installieren, alles andere findet und verwaltet er von sich aus.
Der Einsatz des Boot-Managers ist simpel. Von Diskette gebootet, findet er das vorhandene Betriebssystem, sichert Bootsektor und Systemdateien und drängt sich dann selbst in den Bootsektor. Beim nächsten Start hat man die Auswahl zwischen dem ursprünglich vorhandenen Betriebssystem, einer Sparversion von Russen-DOS oder einem Diskettenboot mit neuem Betriebssystem. Das neue System lässt sich ganz normal über das vorhandene installieren, beim nächsten Start bemerkt der Boot-Manager die Veränderung, registriert das weitere Betriebssystem und stellt es künftig ebenfalls zur Auswahl. Ich habe mich schon mit verschiedenen Boot-Managern beschäftigt, aber das ist wirklich der simpelste und sicherste.
Beim Erst-Installieren ist allerdings eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten, denn wer Win 98 als OEM-Version mit einem Rechner erworben hat (und wer hat das nicht) bekommt sonst Schwierigkeiten. Die OEM-Versionen enthalten nämlich eine Prüfung, ob schon ein Betriebssystem auf den vorgefundenen Partitionen drauf ist. Wird das Setup fündig, verweigert es die weitere Installation, denn es ist ja laut Lizenz nur zur Installation auf einem jungfräulichen Rechner bestimmt.
Diese Gemeinheit umgeht man, indem Win 98 als erstes Betriebssystem auf einer leeren Partition installiert wird und die anderen erst hinterher, denn die haben keine solchen Berührungsängste und Alleinvertretungsansprüche. (Vielleicht sollte man Win98-OEM in "Hallstein" umbenennen.) Wer 98-OEM nachinstallieren möchte, kann das Problem aber auch dadurch umgehen, dass die anderen Systeme auf eine versteckte Partition oder auf ZIP oder CD gesichert werden, dann Festplatte putzen, "Hallstein" installieren, alles wieder zurück kopieren und booten; den Rest machen die Russen.

G.O.Tuhls

Zum Anfang der Seite     Zuletzt geändert 20.05.14 Mütze